Widerstand und Solidarität – aus dem Leben der Elisabeth Jäger


Die Förderung von Begegnungen ehemaliger Häftlinge des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück mit Jugendlichen und die Dokumentation ihrer Erinnerungen ist eine wesentliche Aufgabe der Dr. Hildegard Hansche Stiftung. In diesem Sinne entstand 2003, während eines Videointerviews der Filmemacherin Loretta Walz mit Elisabeth (Lisl) Jäger, die Idee, eine CD-Rom auf Grundlage von authentischen Fragen von Jugendlichen zu erstellen. Die Inhalte dieser sind folgend hier zusammengetragen.

Leider werden diejenigen, die noch die Kraft haben, in Schulen und Jugendgruppen zu gehen, um wieder und wieder Zeugnis über die dunkelste Zeit abzulegen, immer weniger. Eine dieser Unermüdlichen war Lisl Jäger.

 

Lisl Jäger in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Mai 2003

Ich begleitete Frau Jäger in den Jahren 2001, 2002 und 2003 zu Gesprächsrunden in Schulen, Fachschulen und vor Ort in Ravensbrück. Mein Ziel war es, die Fragen der Jugendlichen, die noch die Möglichkeit haben, Zeitzeugen zu befragen, und die Antworten von Frau Jäger schriftlich festzuhalten.

 

Ich war wie sie fasziniert vom Interesse der jungen Leute und ihren vielen klugen Fragen. Die kleine zierliche Frau mit den silbergrauen Haaren und dem österreichischen Dialekt beeindruckte sie. Wenn sie erzählte, zog sie die jungen Leute in ihren Bann.

 

Sie wirkte weder verbittert noch müde, sondern strahlte Kraft, Lebensmut und Lebensfreude aus. Auch wenn ihr manchmal, wenn sie zum Beispiel über die Kinder von Ravensbrück erzählte, die Tränen in den Augen standen. Dann entschuldigte sie sich und erzählte schnell wieder etwas Optimistisches. Sie wollte die jungen Leute nicht belasten. Aber sie weiß auch, dass das Wissen um die Vergangenheit notwendig ist, um frühzeitig Entwicklungen zu erkennen, die sich wieder gegen die Menschenwürde richten und Andersdenkende ausgrenzen.

 

Ehrlich stellte sie sich den Fragen der Jugendlichen. Aber auf manche dieser Fragen wusste auch sie keine befriedigende Antwort. Auch das gehört zu ihrer Ehrlichkeit. Nur in einem ist sie rigoros: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen, wiederholt sie eindringlich und hofft immer wieder, die Jugendlichen mit ihren Berichten dagegen immun zu machen.

 

Als 2003 die Filmemacherin Loretta Walz ein lebensgeschichtliches Videointerview mit Frau Jäger führte, entstand die Idee zu dieser CD-ROM auf der Grundlage der authentischen Fragen der Jugendlichen. Es ist der Versuch, eine Form zu finden, die Erfahrungen der Zeitzeugen für nachfolgende Generationen zu bewahren.

 

Dr. Gisa Spieler
Im Namen der Dr. Hildegard Hansche Stiftung

Kurzbiografie

 

Am 25. September 1924

wird Leopoldine Elisabeth (Lisl) Morawitz als jüngstes von vier Kindern geboren. Der Vater, August Morawitz, arbeitet als Markthelfer auf dem Wiener Naschmarkt. Die Mutter, Leopoldine Morawitz, ist Hausfrau.

 

Von 1930 bis 1938
besucht Elisabeth die Volks- und Hauptschule.

 

Vom Sommer 1938 bis 1941
erhält sie eine kaufmännische Ausbildung in einer Papierwarenhandlung.

 

Nach der Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland am 12. März 1938
beteiligt sich Elisabeth mit ihrer Familie und Jugendfreunden am Widerstand .

 

Am 3. Juli 1941
wird Elisabeth, 16-jährig, von der Gestapo wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung zusammen mit ihrer Mutter verhaftet. Sie wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, die sie vor allem in München/Stadelheim verbüßt. Das Urteil für die Mutter lautet vier Jahre Zuchthaus.

 

Am 23. September 1943
wird ihr Bruder Bruno vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 25.Februar 1944 in Wien hingerichtet.

 

Im September 1944
wird Elisabeth nach Strafverbüßung nicht entlassen, sondern in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

 

Am 28. April 1945
wird das Lager evakuiert. Elisabeth wird mit anderen Häftlingen von der SS auf den so genannten Todesmarsch getrieben, von dem sie mit anderen Kameradinnen flüchtet. Anfang Mai wird das Lager von der Roten Armee befreit. Lisl hilft dort bei der Versorgung und Betreuung zurückgebliebener kranker Kameradinnen.

 

Anfang Juli 1945
kehrt Elisabeth Morawitz in ihre Heimatstadt Wien zurück.

 

1950
Mit ihrem Mann Dr. Martin Jäger übersiedelt Lisl Jäger in die DDR. Sie holt das Abitur nach, schließt ihr Studium als Journalistin an der Leipziger Universität mit Diplom ab und arbeitet in den darauf folgenden Jahren beim Rundfunk, in verschiedenen Zeitschriftenverlagen und dem Ministerium für Kultur.

 

1951
kommt ihre Tochter Brigitta und 1954 ihre Tochter Claudia zur Welt.

Lisl Jäger engagiert sich seit den 50er Jahren in der Lagergemeinschaft Ravensbrück. Sie lebt in Berlin, wird mehrfache Groß- und Urgroßmutter und bleibt politisch aktiv.

 

2019
verstirbt Lisl Jäger am 28. Juni in Berlin.

Zur Biografie

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