Ravensbrücker
Generationenforum


 

Bericht zum 16. Ravensbrücker Generationenforum

"...Silence is no longer here because of us..."

Ravensbrücker Generationenforum meets Sound in the Silence 2020

 

Die Corona-Epidemie sorgte 2020 für weitreichende Veränderungen, die allen Beteiligten und Organisator:innen des Generationenforums ein hohes Maß an Flexibilität abverlangten.

Geplant war, für das Jahr 2020 insgesamt 30 Studierende nach Ravensbrück einzuladen. Dort sollten sie mit den Überlebenden in Workshops zusammentreffen, die Geschichte des Lagerkomplexes Ravensbrück kennenlernen und die Möglichkeit erhalten, an künstlerischen Workshops teilzunehmen. Geplant war darüber hinaus, dass als Abschluss des Projektes eine gemeinsame Performance erarbeitet werden sollte.

 

Im März, unmittelbar nachdem die Projektkoordination die Arbeit aufnehmen konnte, wurde klar, dass das Projekt nicht wie geplant würde stattfinden können. Verlässliche Planungen wurden unter anderem durch sich ständig ändernde Hygienebestimmungen und Einreiseverbote unterbunden. In Windeseile musste ein verändertes Konzept geschrieben werden, das eine virtuelle Variante des Generationenforums/Sound in the Silence-Projektes in den Fokus stellte.

In wöchentlichen Arbeitstreffen mit allen Künstler*innen wurden Konzepte erarbeitet, wie eine solche Variante der Art-Workshops funktionieren könnte. Dabei galt es, Materialien zusammenzutragen, Arbeits- wie auch Kommunikationstechniken zu erproben und dann in den Workshops auszuprobieren. Dabei standen wir in einem engen und kritischen Austausch mit den Professor*innen und Studierenden, so dass wir auch direkt Feedback zu den entwickelten Formaten und Materialien erhielten.

 

Als Herzstück entstanden virtuelle Workshops (Rap, Dance, Sound, Poetry Slam, Creative Writing), an denen die Studierenden in Kleingruppen teilnahmen. Im Jahr 2020 konnten wir so weitaus mehr Studierende als geplant ins Projekt miteinbeziehen. Insgesamt nahmen 111 Studierende an „Silence is no longer here because of us“ teil. Dabei arbeiteten wir mit der Justus-Liebig Universität Gießen, der Universität Hildesheim, der Leuphana Universität Lüneburg und der Universität Wien zusammen. Hinzu kommt, dass wir im Rahmen einer Abendgestaltung der Sommeruniversität des evangelischen Studienwerkes Villigst einen Workshop mit Dan Wolf anbieten konnten, an dem 60 Personen teilnahmen. Ebenso konnten wir zwei virtuelle Workshops mit einem internationalen Publikum (aus Asien, Afrika, Europa, Nord- und Südamerika) mit 57 Teilnehmenden zwischen 18 und 85 Jahren durchführen. Insgesamt konnten wir so 228 Teilnehmende in das Projekt einbeziehen.

 

Das Projekt „Ravensbrücker Generationenforum“

Mit dem „Ravensbrücker Generationenforum“ ermöglicht die Stiftung seit 2005 Jugendlichen und jungen Erwachsenen am historischen Ort des ehemaligen Frauen-KZ eine mehrtägige Begegnung mit drei bis fünf Ravensbrück-Überlebenden aus verschiedenen Ländern. Jährlich kommen 35 bis 40 junge Menschen zwischen 13 und 26 Jahren, vorwiegend aus Deutschland, aber auch aus anderen europäischen Ländern, wie z.B. Polen, der Slowakei, der Tschechischen Republik oder den Niederlanden, in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zusammen.

 

Zeitzeugengespräche und Gemeinschaft erfahren

Anders als bei klassischen Zeitzeugengesprächen verbringen rund 50 Personen aus verschiedenen Generationen vier Tage zusammen, während derer viele Möglichkeiten von Begegnung und Austausch entstehen: sei es Mahlzeiten zusammen einzunehmen oder über einen gemeinsam gesehenen Spielfilm zu diskutieren; sei es ein Gespräch zum Thema Rachegefühle damals und heute aufzuzeichnen oder eine Bootsfahrt in der Mecklenburger Seenlandschaft zu erleben; sei es ein KZ-Gedicht zu vertonen oder aber am Abend nach dem Grillen Widerstandslieder zu singen. Dies bietet eine außerordentliche Gelegenheit, Überlebende als Menschen kennenzulernen, die nicht nur bereitwillig Auskunft über ihre Lebenserfahrungen geben, sondern auch an der Lebenswirklichkeit und den Meinungen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen interessiert sind.

 

Forschen und Debattieren

Viele Teilnehmende wollen auch die Gedenkstätte intensiver kennenlernen und mehr über einzelne Aspekte des Lagerlebens erfahren. Deshalb enthält das Programm optionale Angebote, die entsprechend der individuellen Interessen genutzt werden können. Solche Angebote sind z. B. Exkursionen zu ansonsten schwer zugänglichen Orten des ehemaligen Lagerkomplexes, Archivrecherchen zu ausgewählten Themen, Führungen durch ständige oder temporäre Ausstellungen wie zu den SS-Aufseherinnen in Ravensbrück oder die Auseinandersetzung mit künstlerischen Zeugnissen der Selbstbehauptung von Häftlingen. Meist beteiligen sich auch die Überlebenden daran und beantworten Fragen oder initiieren selbst thematische Angebote.

Durch die verschiedenen Perspektiven – wissenschaftlich, pädagogisch und lebensweltlich sowie über mehrere Generationen hinweg – entsteht ein gemeinsam gestaltetes Forum, das von einer außerordentlichen Lebendigkeit und Intensität geprägt ist.

 

Austausch und Dokumentieren

Alle Foren wurden in unterschiedlichen Formen durch Radiosendungen, Videoaufzeichnungen oder Fototagebücher dokumentiert und Videointerviews mit den Überlebenden erstellt. Eine Besonderheit stellen auch künstlerische Präsentationsformen dar, bei denen in Anwesenheit der und teils in Zusammenarbeit mit den Überlebenden szenische Lesungen, Kunstinstallationen, Theater- oder Musikperformances entstehen.

 

Nachhaltige Erfahrungen

Dieser selbst gestaltete, lebendige Umgang mit Geschichte und die für viele einmalige Erfahrung der Begegnung mit Zeitzeugen wirken häufig lange nach: Wieder zuhause werden in den Schulen Referate gehalten. Die Überlebenden erhalten Briefe oder E-Mails, mitunter über Jahre hinweg. Viele empfehlen das Generationenforum an Freunde oder sie kommen selbst wieder und bringen andere mit, denen sie begeistert von diesem einmaligen und außerordentlichen Projekt berichtet haben. Auch die Überlebenden empfinden diese Form der Erinnerungsarbeit als etwas Besonderes und lassen sich an diesem Termin im Jahr durch nichts davon abbringen, mit dabei zu sein.

 

Ein „Leuchtturm“ der gedenkstättenpädagogischen Arbeit

Das „Ravensbrücker Generationenforum“ hat sich zu einem weit über den Ort hinaus bekannten „Leuchtturm“ der gedenkstättenpädagogischen Arbeit und einer gelungenen Kooperation der Dr. Hildegard Hansche Stiftung, der Pädagogischen Dienste der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und der Internationalen Jugendbegegnungsstätte | Jugendherberge Ravensbrück entwickelt.


Video: 11. Ravensbrücker Generationenforum